COVID-19 - die ethische Frage

  • Seit defacto Ausgangssperren in Österreich in Kraft sind höre ich im Kollegen und Bekanntenkreis immer mehr das, was man auch in sozialen Medien lesen kann: "Ist das denn alles nötig?"


    Ist es nötig eine Weltwirtschaftskrise zu riskieren?

    Ist es nötig - sehr wahrscheinlich - mehrere Monate in Quarantäne leben zu müssen?

    Ist es nötig bis zu 250.000 Arbeitslose mehr in Österreich zu haben?


    Ist all das nötig wegen einer Krankheit die zum allergrößten Teil für die Altersgruppe 70+ mit Vorerkrankungen tödlich ist, die wohl nicht mehr allzu viele Jahre vor sich haben?


    Darf man diese Frage überhaupt stellen? Oder bricht man damit ein Tabu? Ist das nicht genau das was England macht? Und andere Länder die auf die natürliche Durchseuchung plädieren?


    Anders herum: Bis wann warten wir, bis wir diese Frage stellen dürfen? Wenn die Wirtschaft nach einem halben Jahr komplett am Boden liegt und unser Sozialsystem zusammenbricht aufgrund der unglaublichen Anzahl an neuen Sozialhilfeempfängern?


    Wie seht ihr das?

  • Ist die gegenalternative schlimmer als die genannten Szenarien.

    wenn wir nix tun und in 1-2 Monaten einen Peak haben und viele gleichzeitig krank sind, steht die Wirtschaft genauso.


    und wenn von 8 Mio Österreichern, +90% gleichzeitig krank sind, weil das überfallsartig alle auf einmal erwischt, kannst dir überlegen wieviele wohl 20% von 8Mio Österreichern sind.


    klar nur die alten und gebrechlichen sterben, wenn das gesundheitssystem funktioniert.


    Aber wenn alle gleichzeitig krank sind, dann wären das wohl eher 1,5 bis 2 Mio Personen, die gleichzeitig zugang zum krankenhaus benötigen.

    Wieviele % wird das Gesundheitssystem dann wohl versorgen können. (Angenommen das Medizinpersonal fällt nicht auch aus)


    80 milde Fälle in Heimaufenthalt auskurierbar.

    15% schwere fälle, sprich schwere lungenentzündung welche man ohne AB und Infusionen und krankenhausaufenthalt nicht überleben wird.

    5% akute schwere verläufe welche auf der Intensivstation landen und ECMO und Beatmungsanlagen brauchen.


    kannst du für dich ausschließen nummer 1, 2, 3 oder 4 zu sein oder doch Nummer 5 (15%+5%).



    Wie sieht die Wirtschaft aus wenn 1-2 quartale lang alle krank sind und 20% der Menschen wegsterben im alternativszenario.


    Ich denke man muss keine Ethik bemühen, man kanns auch rational runterrechnen.



    Als Kontrollgruppe können wir dann ja UK vergleichen. Welche Strategie besser war.

  • Ich denke, dass man diese Fragen durchaus stellen darf - aber speziell was den Punkt "70+ stirbt sowieso bald" betrifft - denke ich schon auch, dass es ein Maß dafür ist, wie weit entwickelt eine Gesellschaft ist, wenn man betrachtet wie mit Schwächeren umgegangen wird.

    Ich denke auch, dass ein solches Vorgehen - und da beziehe ich mich jetzt auf den Zugang die Wirtschaft ins Zentrum zu stellen - schwerwiegende Auswirkungen auf die Psyche der Einzelnen hätte. Die daraus resultienden Probleme im gemeinschaftlichen Zusammenleben sah man ja schon in "Vor-Corona-Zeiten".

    Der steigende Leistungsdruck, das "Egoist-Sein" als vorbildlich und erstrebenswert zu verkaufen hat ja jetzt schon psychisch (schwer) geschädigte Personen zur Genüge produziert. Eine Steigerung brauchen wir da ganz sicher nicht.

    Aber zurück zum Ausgangspunkt: zur Diskussion stellen sollte man Alles können

    LG

    Hans

  • zum allergrößten Teil für die Altersgruppe 70+ mit Vorerkrankungen tödlich ist

    Ganz unabhänig von der gestellten Frage - allein diese Aussage ist überdenkenswert. Interessanterweise wird die Altersverteilung der Verstorbenen auch von Italien nicht aufgelistet. Von China red ich gar nicht....

    Das wird man wohl erst in ein paar Wochen sehen, ob das so überhaupt stimmt.


    Ich war grad beim Orthopäden und da wunderst mich nicht, wieso sich viele Menschen diese Frage überhaupt stellen. Der meinte "Naja spätestens morgen haben wir den Peak ja eh hinter uns". Das was er tut, kann er gut, aber rechnen kann er anscheinend nicht.

    Also wenns nicht mal die Ärzte ernst nehmen, wie solls dann der Rest der Bevölkerung ernst nehmen.

  • Interessanterweise wird die Altersverteilung der Verstorbenen auch von Italien nicht aufgelistet.

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Epidemie_in_Italien

  • Für mich stellt sich die Frage aus ethischen Gründen in dieser Form zwar nicht (denn jedes menschliche Leben ist gleich viel wert, und das schwächere muss besonders geschützt werden), aber auch wenn ich mal von meiner eigenen Moral absehe, halte ich "lassen wir halt die Alten und Kranken daran sterben, aber schützen wir dafür die Wirtschaft vor dem Kollaps" für schlichtweg unrealistisch:


    1. Je mehr Personen infiziert werden, desto höher wird auch die Anzahl von Toten und dauerhaft Lungengeschädigten unter den Jüngeren.

    2. Je mehr Personen schwer erkranken, desto mehr wird das gesamte Gesundheitssystem gestresst, was dann auch zu - sonst meistens vermeidbaren - Opfern unter Nicht-Covid-Kranken führt. Beispielsweise kann es dann sein, dass Gebärende mit Komplikationen nicht mehr ausreichend behandelt werden können.

    3. Eine höhere Zahl von Infizierten bedeutet mathematisch betrachtet ein größeres Risiko für eine neue gefährlichere Mutation des Virus, das dann - weil das Gesundheitssystem bereits überlastet ist - nicht mehr erkannt und bestmöglich bekämpft werden kann.

    4. Eine immer mehr außer Kontrolle geratende Krise des Gesundheitswesens bewirkt weitere Risiken - steigende Selbstmordrate, Risiken für kritische Infrastruktur, Aufruhr etc.


    Aus all diesen Gründen scheint es mir ganz klar notwendig, die Ausbreitung des VIrus mit allen verfügbaren MItteln und Maßnahmen - die daher auch alle Personengruppen umfassen müssen - einzudämmen und die Kurve so abzuflachen, dass wir maximal handlungsfähig bleiben. Die Option "schützen wir lieber die Wirtschaft und nicht die Alten vor dem Coronavirus" existiert de facto gar nicht, sondern ist ein Trugschluss.

  • hab dazu ein gutes beispiel gelesen grad:


    Zitat

    Ich geb dir 100 Skittles/Jelly Beans, drei davon bedeuten deinen Tod. Wieviele davon würdest du essen?


    Bestimmt keine einzige.

  • Zitat

    Eine Untersuchung des Istituto Superiore di Sanità, die 105 Fälle bis 4. März 2020 berücksichtigt,

    vs.


    Zitat

    Update vom 16. März, 18.37 Uhr: Die Zahl der Todesfälle in Italien, die auf das Coronavirus Sars-CoV-2 zurückgehen, ist erneut gestiegen. Aktuellen Daten zufolge, die der Zivilschutz am Montagabend in Rom veröffentlichte, liegt die Zahl der Tote n somit nun bei insgesamt 2158.

    ..

    In Italien sind bislang zwei Ärzte an der Lungenkrankheit Covid-19 gestorben, hundert weitere haben sich mit dem Coronavirus infiziert.


    Quelle

    Wer würde schon sein Leben drauf verwetten, dass eine Auszählung von 104 Personen als weltweit representativ angesehen werden kann. Also ich nicht 8)

  • Es wird in Kürze sicher mehr Studien dazu geben. Die Verteilung wird sich aber nicht dramatisch verschieben.

  • Also laut einem Bericht des ORF über den Iran waren 35 % der Toten unter 30 Jahre alt.

    Kommt aber wahrscheinlich sehr auf die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems an.

    Covid 19 wird sehr viele anstecken. Aber je weniger gleichzeitig, desto mehr sind die Möglichkeiten der Behandlung.

    Ethische Fragen in der Medizin sind immer heikel. Frag mal die die die Triage machen müssen.

    Da geht's keinem wirklich gut dabei.

    Außerdem glaube ich, aus meiner Erfahrung bis jetzt (muss dienstlich ziemlich viel in Österreich unterwegs sein), dass sich sehr viele überhaupt nicht um die Ausgangsbeschränkung kümmern.


    bG


    Norbert

    Gut vorbereitet läuft alles besser

  • Dieser Link wurde schon mal gepostet:

    WHO Auflistung betr. Alter, Sex u mediz. Vorgeschichte vom 5.3

    Worldometers.info/Demographie


    Und hier ein Link zur Diabetis Österreich Seite:

    Diabetiker Österreich Statistik

    Zitat

    Ca. 650.000 Menschen leiden an Typ-2-Diabetes, das entspricht ca. 8 % der Bevölkerung – Tendenz stark steigend. Der Anteil an Typ-1-Diabetes ist weit aus geringer und liegt bei etwa 4 % der Diabetiker; auch hier gibt es eine Zunahme, wenn auch wesentlich geringeren Ausmaßes. Rund 1.500 Kinder unter 14 Jahren sind von Diabetes betroffen. Die meisten von ihnen leiden an Insulinmangeldiabetes, allerdings nimmt auch der Anteil an stark übergewichtigen Kindern zu, was zum Teil auch bereits zu Typ-2-Diabetes im Kindesalter führt.

    Die meisten Diabetiker die ich kenne, sind 30-40 Jahre alt - da will ich definitiv keinen davon gefärden!!!

    LG
    Linda

  • Ich habe ein wenig statistische Spielerei betrieben und an Hand der bisherigen Infektionsrate die Anzahl der Erkrankten bis Palmsonntag prognostiziert.


    Vor genau 20 Tagen traten die ersten Infektionen auf. Seitdem haben wir einen durchschnittlichen Zuwachs von 38% pro Tag.

    Damit kämen wir am Palmsonntag auf ca 350.000 Erkrankte in Österreich, falls die Maßnahmen nicht greifen.

    Rechnet man die Spitzen der Zuwachsrate am Anfang heraus, kommt man auf 32% pro Tag, was ca 150.000 Erkrankte hieße.

    Mit erster Rechnung wäre unser Gesundheitssystem spätestens am 28.03. am Ende seiner Kapazität, mit zweiter erst drei bis vier Tage später.


    Wenn der Zuwachs auf 20% reduziert werden könnte, hätten wir schon ca bis Ostern Zeit.


    Greifen die Maßnahmen in vollem Umfang, dann können wir eventuell eine Überlastung vermeiden, da man davon ausgehen kann, dass die "normalen" spitalspflichtigen Erkrankungen auch zurück gehen werden (weniger Unfälle, weniger Stress etc)


    Wie gesagt, das sind nur Gedanken Spielereien, zeigen aber, wie wichtig es wäre, direkte soziale Kontakte jetzt einzuschränken (also weitersagen!).


    Grüße


    Sandman

  • Ich komme im besten Fall (wenn die Maßnahmen zu greifen beginnen) bis Palmsonntag auf 160.000, wenn es weitergeht wie bis jetzt dann auf 930.000....

  • Wir haben jetzt gerade mal 1-2 Tage hinter uns, wo massive Reduktion der sozialen Kontake in weiten Teilen Österreichs praktiziert wurde. In Wuhan zeigte sich das Ergebnis der Quarantänemaßnahmen erst ca. 10 Tage später, dann aber deutlich. Wir werden also kommendes Wochenende bestenfalls erste vage Verbesserungen in der Wachstumskurve merken (sofern wir weiterhin so wirksam testen und daher aussagekräftige Neuinfektionszahlen haben). Mitte nächster Woche zeigt sich dann deutlich, ob wir mit den aktuellen Maßnahmen von den derzeit ca. 34% Zunahme an Infektionen pro Tag auf 20%, 15% oder gar 10% kommen.

    Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen und am Palmsonntag in Österreich “nur“ zwischen 8000 und 10000 Positivdiagnosen und weniger als 50 Todesfälle durch Covid19 haben werden.

    Aber wir müssen vermutlich noch deutlich weiter runter (ich schätze auf 4-5%), damit die Rate der Neuerkrankungen mit Spitalsbehandlungsbedarf (ca. 20% aller Neuerkrankungen) die freiwerdenden Spitalsbetten nicht überlastet. Sobald es wirksamere Medikamente gegen Covid19 gibt und der Prozentsatz der Neuerkrankungen, die Spitalspflege brauchen, entsprechend von den 20% runtergeht, kann auch wieder eine höhere Neuinfektionsrate zugelassen werden. Bis wir entweder eine Impfung haben oder Herdenimmunität erreichen.

    Einmal editiert, zuletzt von Ad Lib ()

  • Das ist keine Altersverteilung innerhalb der Mortalität.

  • Ohne die Rohdaten würde ich keiner Statistik trauen, denn man kann immer alles so hinbiegen wie es einem gefällt. Und die Rohdaten hat kaum einer.

    Gedankenspiel: Hören sich 5 neuinfizierte pro Tag nach viel an? Bei 1 Million getesteter Personen nein, bei 5 getesteten Personen schon.


    Mit der Todesursache ist das auch nicht so einfach. Patient ist 82, hat Leberkrebs im Endstadium, dazu eine Lungenenzündung und Covid 19. In der Früh wacht er nicht mehr auf. Woran ist er gestorben?


    Und ethische Fragen - als Laie - sind seit Jahren ein echtes Problem. Denn durch Fragen die "der Öffentlichkeit/den Medien" nicht passen kann man ziemlich schnell in ein falsches Eck gestellt werden.


    Es gibt da ein paar hochinteressante Gedankenspiele zum Thema Ethik. Und bei den Antworten gibt es kein richtig oder falsch. Eines würde ich gerne erzählen.


    Auf einer Zugstrecke spielen 5 Kinder, wenn der Zug vorbeifährt wären sie tot. 2 Km vor den Kindern könntest du 1 Person vor den Zug stossen, der würde dadurch halten und die Kinder wären gerettet. Welches Leben ist mehr wert ...


    Und die gleiche Frage ist auch die Ausgangsfrage dieses Threads ... Nur halt mit anderen Parametern

    Ich bin lieber auf etwas vorbereitet was nie passiert als nachher überrascht da zu stehen.

  • Warum sollte das Gesundheitssystem zusammenbrechen wenn wir nicht die Kurve glätten?


    Fakt ist die Krankheit ist für alte Menschen mit Vorerkrankungen relativ oft tödlich. Da die meisten Österreicher an Herzkrankheiten sterben, die oftmals zurückzuführen sind auf die Klassiker, fettes essen und ungesunde Lebensführung, haben nunmal viele ältere vorerkrankungen die sie anfälliger machen. Gibt es auch junge mit vorerkrankungen die der Krankheit erliegen werden? Natürlich, aber in einem wesentlich geringeren Ausmaß.


    Für die allermeisten Jungen wird die Krankheit bei Ansteckung symptom los verlaufen. Ein kleiner Prozentsatz wird mit Fieber und klassischen Grippesymptomen zu Hause die Krankheit auskurieren, ohne ein Krankenhaus von innen gesehen zu haben. Und ein verschwindend geringer Promilleanteil an Jungen wird ins Krankenhaus müssen.


    Wer braucht also die Kapazitäten in den Krankenhäusern? Alte mit Vorerkrankungen. Womit wir wieder bei der ethischen Frage wären.


    Die letzten 2 Tage gab es schon 49.000 neue Arbeitslose. In ZWEI TAGEN.


    Ich habe 250.000 prophezeit am Ende der Krise. Ich denke mittlerweile da werden wir uns bei mindestens einer halben Million neuer Arbeitslose befinden.


    An der großen Missachtung der Ausgangssperre in Wien und anderen Städten heute merkt man dass der Ernst der Lage bei den österreichischen Bürgern nicht angekommen ist. Aber nicht weil sie das Virus für so gefährlich halten, sondern weil sie ihr Leben nicht einschränken wollen für ein Virus das hauptsächlich alte und Schwäche Menschen gefährlich wird. Wie alle Krankheiten.

  • Für die allermeisten Jungen wird die Krankheit bei Ansteckung symptom los verlaufen. Ein kleiner Prozentsatz wird mit Fieber und klassischen Grippesymptomen zu Hause die Krankheit auskurieren, ohne ein Krankenhaus von innen gesehen zu haben. Und ein verschwindend geringer Promilleanteil an Jungen wird ins Krankenhaus müssen.

    Ich weiß, ich wiederhol mich, aber woher weißt du das?

  • statistik aus china und jetzt schon aus italien.

    Hast du einen Link wo es zu einer Altersverteilung innerhalb der notwendigen Spitalsaufenthalte in Italien gibt? Die tun sich ja schon schwer eine aktuelle Fallzahl hinzukriegen...