Eine etwas ungewöhnliche Unterkunft

  • Ich möchte euch hier eine etwas seltsam anmutende Notunterkunft vorstellen, die ich während meiner militärischen Ausbildung kennen lernen durfte. Anfangs dachte ich noch: "Was ist denn das für ein Müll?" und vielen wird es im ersten Moment wohl auch so gehen. Inzwischen sehe ich das ein wenig anders und habe auch mein Notfall-Gepäck dementsprechend ausgerichtet. Mein Notfall-Domizil der Wahl ist ganz eindeutig meine Hängematte. Verblüfft?

    Es klingt anfangs wirklich ein wenig verrückt. Wie soll eine Hängematte eine brauchbare Unterkunft sein? Wie erwähnt, war ich zu Beginn auch nicht wirklich davon überzeugt. Meine Aufgabe war eine Erkundungsmission und ich hatte den Auftrag, mich an einem plausiblen Standort für ein gegnerisches Lager unauffällig einzurichten, dort zu warten und die gegnerischen Kommandostrukturen auszukundschaften. Ich war misstrauisch, ob dergleichen überhaupt möglich ist. Als Ausrüstung bekam ich neben einem üblichen kleinem Marschgepäck noch eine Hängematte und eine entsprechende Schulung. Was mir mein Ausbildner dann zeigte, riss mich fast von den Socken. Der Mann kletterte in Windeseile einen ziemlich hohen Baum hoch, befestigte in schwindelerregender Höhe an einem Ast die Hängematte, fixierte sie dann an der Unterseite am Stamm und legte sich samt seinem Rucksack hinein. Das Ganze hatte wohl nicht mehr als zehn Minuten gedauert und mir stand der Mund offen. Kurz darauf ein Handgriff und er schien zu Boden zu stürzen. Statt dessen glitt er wie mit einem Aufzug an einem Seil herab. Eingepackt in der Hängematte, wie in einem Kokon. Dann stieg er aus der Hängematte, zog an dem verbleibenden Seil und es fiel neben ihm zu Boden. Alle Schulungsteilnehmer standen mit offenem Mund da und nach dem ersten Schrecken klatschten wir wie verrückt Beifall. Das war eine atemberaubende Vorstellung. Und das Ganze hatte nicht länger als eine Viertelstunde gedauert. Ich war tief beeindruckt. Meine Meinung zu dieser 'Unterkunft' hatte sich binnen Sekunden geändert.

    Ich muss zugeben, dass ich - was die Geschwindigkeit angeht - Lichtjahre von meinem Ausbildner entfernt bin. Aber ich bin unglaublich dankbar für seine Geduld, sein unglaubliches Wissen und seine Bereitschaft, das mit mir zu teilen. Alleine die Besteigung eines Baumes ist schon ein ziemlicher Quest, wenn man nicht ganz genau weiß, was man da tut. Der Abstieg wiederum ist eine Sache für sich und kostet sehr viel Überwindung. Damals war ich gut austrainiert und hatte einen drahtigen Körperbau. Heute gleiche ich eher von der Statur her dem Coca-Cola-Santa. Dennoch schaffe ich es noch immer, mich notfalls in ungeahnte Höhen zu begeben. Die angewandte Technik ist glücklicherweise nicht so sehr von der Statur abhängig. Und - was noch viel entscheidender ist - man benötigt dafür nicht Unmengen an ganz speziellem Equipment. Ganz ohne geeignete Tools fürs Klettern geht es natürlich nicht. Aber man sollte ohnehin bei einem Krisenszenario nicht ohne Klettermaterial vor die Tür gehen. Freilich ist das meine ganz persönliche Ansicht.

    Der Vorteil einer solchen 'Notunterkunft' ist neben der enormen Geschwindigkeit des Auf- und Abbaus auch die Option fast völlig von der Bildfläche zu verschwinden. Obwohl ich so misstrauisch war, zeigte sich sehr schnell, dass die wenigsten Menschen im Wald nach oben sehen. Nutzt man den natürlichen Bewuchs eines Baumes (die Auswahl des entsprechenden Baumes ist dabei entscheidend und wohl der schwierigste Teil bei der Aufgabe), kann man - entsprechendes Material vorausgesetzt - fast unsichtbar werden. Wir haben diese Möglichkeit zu Campieren mehrfach getestet und es ist wirklich erstaunlich, dass man ab einer gewissen Höhe die Hängematte fast nicht mehr unterscheiden kann. Selbst wenn man weiß, wonach man sucht. Natürlich ist eine solche 'Behausung' für Menschen mit Höhenangst unbrauchbar. Und selbst für jene, die keine Angst vor großer Höhe haben, bedarf es einiger Überwindung den Baum zu besteigen und dann dort oben die Hängematte ordnungsgemäß zu befestigen.

    Für die Meisten von euch klingt die Sache wahrscheinlich sehr nach Bushcraft oder Survival. Aber manchmal kann man bei der Wahl seiner Unterkunft nicht wählerisch sein. Tarp und Zelt sind sicherlich weitaus komfortabler und haben noch jede Menge anderer Vorteile (man kann in 10 Metern Höhe ja auch schwer mal eben vor die Tür gehen, wenn die Blase drückt. Von anderen Problemen möchte ich an dieser Stelle nicht schreiben.). Allerdings geht es in diesem Fall um eine Möglichkeit, sich in einer etwas unruhigen Gegend zumindest für einige Zeit aus möglichen Gefahrensituationen heraus zu halten. Unter Umständen kann das sogar lebensrettend sein. Bei einem Zelt wird das wohl kaum gelingen.

    Das Ganze klingt ein wenig verrückt und ich bin gespannt, wie die Reaktionen auf diesen Beitrag sind.

    Bei aller Vorsicht sollte man am Ende des Tages noch ein lebenswertes Leben haben. Kein Bunker ist ein Lebenskonzept.
    In jungen Jahren will man noch allen gefallen - im Alter ist man froh, wenn man sich selbst im Spiegel noch erkennt.

  • Ich bin ein typischer Hängemattenschläfer, von daher verstehe ich den Ansatz. Aber mir ist die Monatage nicht ganz klar. Meine Hängematte ist ca 3,5 m lang. Ein Ende befestige ich am Stamm und das andere Ende in 3,5 m Entfernung auf einem Ast? Das muss aber ein ziemlich dicker Ast sein.

    Auch das nach unten gleiten ist mir nicht ganz klar. Oben habe ich eine Schlaufe, durch die läuft ein Seil an dem meine Hängematte hängt. Sonst könnte sie ja nicht nach unten gleiten. Und die Schlaufe durch die meine Hängematte gleitet ist mit einem Spezialknoten befestigt der auf Zug hält und sich mit Schwung wieder öffnen lässt. Aber da meine Hängematte ja 2 Enden hat bräuchte ich auch 2 Seile zum runtergleiten , nicht nur eines. Oder habe ich da einen Denkfehler?

    Ich bin lieber auf etwas vorbereitet was nie passiert als nachher überrascht da zu stehen.

  • Klingt gut, aber wenn ich die Hängematte normal in den Bäumen befestige müsste das auch reichen um mich vor neugierigen Blicken zu verstecken.
    Sie muss ja nicht unbedingt blitzschnell auf- und abgebaut werden.
    Und wenn die Blase drückt kann man ja auf die andere Seite des Baumes gehen und sich einen guten Stand suchen (nicht einfach, funktioniert aber).
    Nur sollte man schauen (oder horchen) dass nicht gerade die in der Nähe sind die einen suchen.
    Wir hatten als Kinder oft Baumhäuser wo uns unsere Eltern vergeblich suchten, eben weil sie uns nur auf dem Boden vermuteten.

    bG
    Norbert

    Gut vorbereitet läuft alles besser

  • @Don Pedro Das Entscheidende an der ganzen Sache ist die Vorbereitung. Natürlich war die Befestigung des unteren Teils der Hängematte genau zu dem Zweck, um sich später blitzschnell aus dem Staub machen zu können. Ich gebe dir Recht, dass die Anbringung sehr ungewöhnlich ist. Aber man darf nicht vergessen, dass diese Variante einen militärischen Zweck verfolgt hatte. Wenn du in dem Fall dann erst mühsam dein Lager abbrechen musst, dann ist das nicht unbedingt ein taktischer Vorteil. Die Fixierung am Ast ist im Grunde nur eine Vorrichtung zum Abseilen. Solange die unter Spannung ist, bleibt man, wo man gerade ist. Erst wenn ich die Spannung reduziere, gleite ich am Seil hinab. Gleichzeitig wird dabei das am Stamm befestigte Teil zur Abseilvorrichtung gezogen und man befindet sich sozusagen in einer Art Blase. Ist etwas schwierig zu erklären, aber ich hoffe man kann sich das einigermaßen vorstellen.

    @menatarms100 Natürlich kann man die Hängematte befestigen, wie man will. Ich war eben nur fasziniert von dieser Möglichkeit und man darf eben nicht außer Acht lassen, dass ich zu der Zeit für einen militärischen Einsatz vorbereitet wurde. Da sind natürlich etwas andere Anforderungen zu stellen. Aber da normalerweise das Militär eher eine destruktive Komponente hat, fand ich diese Ausbildung äußerst konstruktiv. Spannend fand ich auch, dass ausgerechnet die Waffe mich bei der ganzen Angelegenheit am meisten störte.

    Bei aller Vorsicht sollte man am Ende des Tages noch ein lebenswertes Leben haben. Kein Bunker ist ein Lebenskonzept.
    In jungen Jahren will man noch allen gefallen - im Alter ist man froh, wenn man sich selbst im Spiegel noch erkennt.

  • Soetwas in der Art habe ich schon einmal gesehen mit einer Hängematte die oben herum auch noch geschlossen war mit einer Art Insektengitter... Darüber war dann noch so ein militärischer "Tarnvorhang" der aus der Ferne aussieht wie verschiedene Blätter. Die Frage ist nur ob man diese ganze Ausrüstung auch als normaler nicht-militärischer Bürger bekommt?

  • @Fjara Bekommt man auch problemlos im zivilen Bereich. Wenn auch nicht unbedingt optimal, aber brauchbar. Beispiel auf Amazon: [http://tinyurl.com/ybsdorpj]

    Bei aller Vorsicht sollte man am Ende des Tages noch ein lebenswertes Leben haben. Kein Bunker ist ein Lebenskonzept.
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  • Ja, genau das habe ich gemeint! Könnte man mit diesem Modell auch schaffen was du erläutert hast?

  • Man kann JEDE Hängematte irgendwo in einem Baum befestigen, da gibt es keine Unterschiede bei den Modellen. Der klassische Weg wäre halt zwischen zwei Bäumen und dann eine Plane drüber.
    In einigen Metern Höhe unter einem Ast ist eine "Tarnvariante", das muss man sich mal zutrauen (und auch physisch können).

    Ich bin lieber auf etwas vorbereitet was nie passiert als nachher überrascht da zu stehen.

  • @Fjara Natürlich geht das mit dieser Form auch. Man muss sie entsprechend adaptieren, aber das ist nicht wirklich ein Problem. Allerdings rate ich dringend davon ab, jetzt einfach los zu gehen und das im Selbstversuch zu testen. Und wenn überhaupt, dann ausschließlich mit entsprechender Schutzausrüstung und jemanden der sichert. Ich schreibe das nur sicherheitshalber, damit ich dann nicht in der Zeitung lesen muss, dass jemand beim Versuch eine Hängematte in die Bäume zu hängen vom Baum gefallen ist. Das sieht - wenn man es vorgeführt bekommt - sehr einfach, entspannt und sicher aus. Aber da steckt eine Menge Training dahinter. Einen Baum mit Kletterausrüstung zu Besteigen ist keine Kleinigkeit. Es gibt dazu zwar unzählige Videos auf YouTube, aber ich rate dringend davon ab, das in Eigenregie zu probieren. Wobei ich die angeführte Technik dort noch nicht gefunden habe. Also bitte immer äußerste Vorsicht. Keine Hängematte im Baum ist es wert, die eigene Gesundheit zu gefährden.

    Bei aller Vorsicht sollte man am Ende des Tages noch ein lebenswertes Leben haben. Kein Bunker ist ein Lebenskonzept.
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