Wann ist eine Wirtschaftskrise eine Wirtschaftskrise? Bzw. der Wirtschaftskrise Thread.

  • So, nachdem in einigen Threads schon von Wirtschaft und so geschrieben wird, gibts hier einen neuen Thread bzw. sogar ein neues Unterforum.

    Einige haben geschrieben, dass es für sie eine Wirtschaftskrise ist, wenn sie trotz gut bezahlten Jobs für sich und die Familie nichts zu Essen haben. Ich will versuchen, den Blickpunkt ein wenig weiter oder länger zu sehen.

    Hier ein paar Beispiele:

    1.) Wohlstand durch Verschuldung:
    Der Wohlstand in der westlichen Welt wächst nur durch Verschuldung. Seit Jahrzehnten nehmen die Länder Kredite auf um ihren Wohlstand zu finanzieren. Stichwort: Staatsanleihen. Du bist da über dein Sparbuch oder deine Lebensversicherung auch involiert. Dafür bekommen die Banken und die Versicherer Zinsen. Wenn der Staat gut wirtschaftet, ist der Staat vertrauenswürdung und die Banken verlangen geringe Zinsen. Wenn der Staat schlecht wirtschaftet, dann muss er höhere Zinsen zahlen. So Staatsanleihen können bis zu 30 Jahre lang laufen.

    Ein kleines Rechenbeispiel: Eine Bank gibt zwei Staaten einen Kredit für 30 Jahre. Höhe des Kredits: 5 Mrd. EUR.
    Zinsen für Staat A: 2%, das sind 100 Mio pro Jahr. Für 30 Jahre sind das dann insgesamt 3 Mrd. EUR. D.h. Staat A muss in 30 Jahren insgesamt 8 Mrd. EUR zurückzahlen. Das sind 160%.
    Zinsen für Staat B: 7,5%, das sind 375 Mio/Jahr. Für 30 Jahre sind das dann 11,25 Mrd. EUR Zinsen. Schon allein die Zinslast ist nach 30 Jahren mehr als doppelt so hoch wie das aufgenommene Kapital. Insgesamt müssen von Staat B 16,25 Mrd. EUR zurück gezahlt werden. Das sind 325% des aufgenommenen Kapitals. Und wie werden die Zinsen bezahlt? Durch neue Anleihen...

    Kann das gut gehen? Meine Meinung ist: nein.

    Falls ihr euch fragt wozu brauche ich Staatsanleihen? Das interessiert mich nicht. Mit den Staatsanleihen werden u.A. die Pensionen und Renten bezahlt, es hängt sehr viel an der Infrastruktur und im Gesundheitswesen dran und natürlich die Gehälter im öffentlichen Dienst. Im Umkreis von ca. 250 m von meiner Wohnung fallen mir folgende Berufe ein, die mehr oder weniger vom Staat bezahlt werden: Lehrpersonal, Pflegepersonal, etliche Ärzte, die Männer der Müllabfuhr, Öffi Fahrer, Polizisten, ... Stellt euch mal vor, was los ist, wenn der Staat sagt, "Hm, tja, öh, um den laufenden Betrieb zu erhalten, können wir nur mehr 75% der Gehälter zahlen."

    Brauchen wir unbedingt Wachstum? Kann es nicht reichen den Status Quo zu erhalten?

    Weitere Beispiele kommen in nächster Zeit. Da wird es u.A. um Inflation gehen.

  • status quo ist im kapitalismus fast schlimmer als negativwachstum bzw. krise
    solange es inflation gibt (wird es immer geben im zins-system) muss mindestens die inflation an wachstum her.
    damit die bank dir dein sparbuch inflationär abdecken kann, muss 25% zusätzlich für Kest und nachmal n paar % für die bank(mitarbeiterkosten) gewinn aus der arbeit erwirtschaftet werden.
    und da die reichen 1% das sagen haben, werden die auf min 150% der inflation als wachstum bestehen auf teufel komm raus.

    also is krise sobald das wachstum unter 150% der inflation ist :D (imho)

    grüsse
    karkoul

    Gross / klein-schreibung ist ein luxus!

  • Hallo,

    die Quittung für Lebensversicherungen zahlen wir bereits jetzt schon. Sämtliche Rendite- und Zinsversprechen können nicht mehr erfüllt werden. Der Kunde wird davon in Kenntnis gesetzt und fertig. Eine Kündigung kommt in der Regel nicht in Frage, da sonst mit zu krazzen finanziellen Nachteilen gerechnet werden muss. Weiterhin ist nicht abzusehen, wann die wirtschaftliche Lage in Europa wieder aufwärts geht.....Ich finde es viel schlimmer, dass Länder wie Deutschland davon profitieren, dass andere Länder massiv in den Schulden sind.

  • Das System der Verschuldung ist nicht erst in Zeiten des Kapitalismus erfunden worden. In Zeiten des Mittelalters, der Römer und Griechen sind die Schuldenaufnahme der Reichen bekannt, um ihren Lebensstandart halten zu können. Wenn man es genau nimmt, sind die Bedingungen nicht wesentlich anders wie damals...Andere Menschen produzieren für uns billige Kleidung und Lebensmittel, damit wir diese Verbrauchen. Ich denke hier an China, Afrika und Indien.....doch es sind noch zahlreiche andere . Damit die offenen Forderungen beglichen werden können, nimmt der Staat weitere Schulden auf (Quelle: http://www.risikolebensversicherung-heute.de/ ). Doch wir als Endverbraucher müssen in den letzten 40 Jahren immer mehr Steuern zahlen. Irgendwann ist hier auch eine Grenze erreicht......Was ist dann???? Verhältnisse wieder wie im Mittelalter????

  • Wirtschaftskrisen sind ja prinzipiel systemimmanent, also Teil des Systems. Ich selbst bin Risikomanager in einer Bank. Wir berechnen den expected loss im Normalfall, im Problemfall und im Liquidationsfall. Der Normalfall ist keine Krise, sondern der normal riskierte Betrag, den die Bank kennt. Im Problemfall werden die Ausfallwahrscheinlichkeiten einfach maximiert, im Liquidationsfall nochmehr. Ergänzen dazu wird das Portfolio gestresst, das heißt bestimmte Faktoren werden bestimmten der Wirklichkeit entnommenen Stressfaktoren ausgesetzt. Beispiel: Die hypotekarischen Sicherheiten einer ganzen Region (z.b. Waldviertel) fallen aus, weil an der nahen Grenze ein Reaktorunfall stattfindet. Das ist nur ein eher unwahrscheinliches Beispiel, die Stressfaktoren werden normal aufgrund der Wirtschaftstheorie erarbeitet (mögliche Zinserhöhungen, Inflation, Deflation etc. )

    Soweit die Theorie. Dass in der Praxis dieses Modell nicht immer greift, ist bekannt. Vor allem wenn die unkalkulierbaren Ereignisse auftreten, die sogenannten black swans. Leider tummeln sich in der Volkswirtschaft unendlich viele dieser potentiellen black swans, so dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens so gut wie sicher ist, blos der Zeitraum ist zu kalkulieren. Das kann man auch ganz leicht anhand der Statistik: Auftreten der black swans im Zeitablauf - und wann ist das Auftreten eines neuen black swans wieder wahrscheinlich. So wurde der Zeitpunkt eines EURO Währungscrash ab dem Jahr 2017 mit >= 50% Wahrscheinlichkeit errechnet.

    Taken the red one.

  • Zuerst einmal meine Meinung darüber was eine Wirtschaftskrise überhaupt ist:

    Weitgehender Zusammenbruch der Produktion und des Handels in der entsprechenden Region oder eben global als Weltwirtschaftskrise.
    Das gab es zuletzt vor ca. 80 Jahren!

    LG Wolfgang

  • Zitat von SirDogder im Beitrag #6
    Soweit die Theorie. Dass in der Praxis dieses Modell nicht immer greift, ist bekannt. Vor allem wenn die unkalkulierbaren Ereignisse auftreten, die sogenannten black swans. Leider tummeln sich in der Volkswirtschaft unendlich viele dieser potentiellen black swans, so dass die Wahrscheinlichkeit des Auftretens so gut wie sicher ist, blos der Zeitraum ist zu kalkulieren. Das kann man auch ganz leicht anhand der Statistik: Auftreten der black swans im Zeitablauf - und wann ist das Auftreten eines neuen black swans wieder wahrscheinlich. So wurde der Zeitpunkt eines EURO Währungscrash ab dem Jahr 2017 mit >= 50% Wahrscheinlichkeit errechnet.



    Falls Du mal Zeit und Lust hast, lausche (lese) ich gerne näheren Ausführungen dazu evtl. in einem eigenen Thread?

  • zu Wolfgangs Meinung :

    Weitgehender Zusammenbruch der Produktion und des Handels in der entsprechenden Region oder eben global als Weltwirtschaftskrise.

    würde ich die sozialen Folgen hinzuzählen :

    dadurch entstehende Massenarbeitslosigkeit , einhergehend Kürzung von Arbeitslosengeld und anderer sozialen Leistungen als Folge
    der eingeschränkten Zahlunsgfähigkeit des Staats oder der Sozialversicherung auf Grund von massiven Einnahmenverlust

    anderer Aspekt wäre noch eine inflationäre Entwicklung mit Kaufkraftverlust der Währung

    Zu einer "richtigen" Wirtschaftskrise gehören dann wohl auch Insolvenzen von großen Firmen,
    zB Banken, mit Verlust der Einlagen der Sparer , Insolvenz großer Produktionsfirmen mit der Folge für Zuliefererfirmen ,
    hat nebenbei den Verlust des Wertes der Aktien für die Aktionäre zur Folge

    frieder