KFW - Technikkatastrophen - Das Phänomen „Blackout“

  • Blackout: Science-Fiction oder baldige Realität?

    Das österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit hat Anfang Oktober still und leise eine bereits im Februar fertig gestellte Studie „Das Phänomen ‚Blackout'“ veröffentlicht. Die zusammenfassenden Aussagen haben eine hohe Brisanz:


    Technikkatastrophen - Das Phänomen „Blackout“ (pdf) 35 seitig



  • Hochinteressante Studie. Zum einen, weil die Einschätzung und die Situation der Bevölkerung wieder gegeben wird, zum anderen, weil man sieht, woran NICHT gedacht wird.


    4.5.2. Schaden für Infrastruktur, Industrie / Produktion

    Als Beispiel wird eine Schokoladenfabrik genannt. Heilige Maria!!! Was ist mit Chemieanlagen, Hochöfen, Raffinerien etc. wo Prozessanlagen durchgehen? Flugleitsysteme?

    Landwirtschaft? Da verenden Hunderttausende Schweine nur allein deshalb, weil die Belüftungsanlagen ausfallen. Turbokühe die keiner melkt, Hühner, die verdursten?


    4.5.4.1. Telekommunikation / Information:
    Fällt aus, keiner kann Radio hören (nur die paar Prepper, die ein Batterieradion haben, hören noch 72h lang ORF Radio).


    4.5.4.2. Beförderungsmittel
    In Liften oder Seilbahnen stecken gebliebene Menschen wird wohl nur vereinzelt geholfen (werden können).


    4.5.4.3. Verkehr
    Verkehr wurde unter den Spontannennungen der Bevölkerung gar nicht genannt. Also: wer mit Auto/Bahn etc. erst viele Kilometer (nach Hause) zurücklegen muss, ist verloren (ausser es gibt einen funktionierenden Plan B).


    4.5.4.5. Medizinische Versorgung:
    Daran denkt keiner (außer uns paar Preppern). Krankentransport fällt aus, Notstrom (u. Wasser) ist in Spitälern nur für wenige Tage vorhanden. Medikamente sind kaum bevorratet (weder in Spitälern noch in Apotheken, privat sowieso nicht).


    4.5.5. Womit in den Tagen und Wochen nach einem Blackout zu rechnen ist

    Was hier steht, ist wohl extrem verharmlost und gilt wohl nur für einen Blackout der wenige Stunden dauert. Über längere Blackouts will sich der Autor hier (wohl aus gutem Grund) nicht den Kopf zerbrechen. Weil da stellt sich die Frage: wer begräbt die Toten...


    4.5.6. Soziale Phänomene / psychische Auswirkungen

    Das ist der einzige Teil der Studie, der den Kern der Sache trifft: was ist, wenn das länger dauert als 2 Stunden.
    "Dann könnten schnell panikartige, anarchische Zustände entstehen, die es zu vermeiden gilt. Wann das genau sein wird, nach wie vielen Tagen, lässt sich nicht abschätzen." - Ich denke, das kann man schon abschätzen: das beginnt nach spätestens 4 Stunden. Wenn man 4 Stunden im Stau steht weil ALLE stehen, dann werden die ersten zum Werwolf. Innerhalb weniger Stunden fangen die Plünderungen an - nämlich dann, wenn die Leute in den Supermärkten ihre Sachen im Einkaufswagerl nicht bezahlen können (weil Kassa geht nicht) und sie JETZT weg wollen (heim oder sonst wohin). Dann gehen sie OHNE zu zahlen. Und weil das funktioniert, werden andere sehr bald auch auf diese Art "einkaufen" gehen.


    4.8. Maßnahmen zur Vorbereitung auf ein Blackout
    So weit, so gut. 2 Wochen soll also JEDE/R sich selbst über Wasser halten können. Millionen von Menschen haben wohl nicht einmal für 2 Tage genug Vorräte.... Nicht einmal Klopapier, wie man seit geraumer Zeit weiß ;)

  • Die Frage nach dem Hochfahren des Netzes wird nur am Rande gestreift. Ich habe in anderen Quellen dazu nur sehr vorsichtige Ansagen gefunden - wird nämlich alles andere als leicht: nahezu ALLE Kraftwerkstypen können NICHT ohne bestehendes Netz hochfahren. Nur Pumpspeicherkraftwerke und Laufkraftwerke (und ganz exotisch Kraftwerke auf Batteriebasis) können das! Das EU-Netz wird also wohl von den Alpenregionen aus hochfahren müssen. Dazu muss aber die Kommunikation zwischen allen Beteiligten funktionieren!

    Jedenfalls wurde ein gesamtes Netz in der Geschichte noch nie hochgefahren: die Netze sind ja gewachsen und praktisch immer in Betrieb gewesen (abgesehen von lokalen Netzen, die sich beim Hochfahren wieder an das Verbundnetz anlehnen).

    Mich würde echt interessieren, ob es zum Wiederhochfahren eines ganzen Verbundnetzes (EU-weit) Studien bzw. Konzepte gibt.

  • Es gibt in Duisburg das Trainingszentrum DUtrain, da übt das Personal der Leitwarten der europäischen Stromversorger regelmäßig das Wiederanfahren nach einem Blackout.


    Um das Netz nach einem (echten/totalen) Blackout wieder hochfahren zu können muss ein Kraftwerk sowohl schwarzstartfähig (= ohne externe Energieversorgung startfähig) als auch inselbetriebsfähig (= so gut regelbar, dass es ohne stabiles Stromnetz betrieben werden kann) sein. Die wenigsten Laufkraftwerke können das und angeblich besteht bei denen sogar die Gefahr, dass sie bei einem Blackout überflutet werden, wenn nicht schnell genug der Wasserfluss geregelt werden kann.


    Meines Wissens geht man in Österreich derzeit von zirka 24 Stunden aus, bis das Stromnetz nach einem Blackout wieder vollständig hochgefahren ist, beim Übertragungsnetz rechnet man mit ein paar Stunden. Wien wird mit recht hoher Priorität wieder versorgt, am Land dürfte es etwas länger dauern. Stand von vor wenigen Jahren war die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Österreich über die großen Pumpspeicherkraftwerke hochgefahren wird und sich dann der Rest von Europa schrittweise dran hängt. Dabei gibt es natürlich das Risiko, dass das Netz wieder zusammen bricht, wenn beim Hochfahren ein Fehler passiert. Daher das regelmäßige Training.


    Immer natürlich unter der Voraussetzung, dass nicht wesentliche Komponenten des Stromnetzes beschädigt oder zerstört sind. In der Südsteiermark hat es vor nicht allzu langer Zeit mal massive Schäden an Trafostationen gegeben, da waren manche Regionen eine Woche ohne Stromnetz. In Slowenien gab es 2014 eine Eiskatastrophe wo durch Eisregen die meisten Stromleitungen zerstört waren, Feuerwehren aus Niederösterreich sind da mit Notstromaggregaten zu Hilfe gekommen. Bisher gab es in Europa nur Fälle wo es regional massive Stromausfälle gab und Hilfe aus anderen Regionen gekommen ist, trifft es alle gleich muss sich jeder selbst helfen.

  • Die wenigsten Laufkraftwerke können das und angeblich besteht bei denen sogar die Gefahr, dass sie bei einem Blackout überflutet werden, wenn nicht schnell genug der Wasserfluss geregelt werden kann.

    Da kann ich euch beruhigen. diese Gefahr besteht nicht. Wenn der Strom in einem Donaukraftwerk ausfällt, dann passiert gar nichts. Maximal das der Stausee etwas ansteigt und dann das Wasser beim Überlauf der Wehranlagen drüber rinnt. Aber bevor das passiert gäbe es noch mechanische Mäglichkeiten um eine Art "Notentwässerung" des Stausees über mechanische Ventile und Rohranlagen zu ermöglichen.


    Was nicht mehr funktioniert ist die automatische Regulierung die Hochwasser verhindern bzw. verzögern kann.

    Ich bin lieber auf etwas vorbereitet was nie passiert als nachher überrascht da zu stehen.

  • Bei einem internationalen Stromausfall ist jedes Land auf sich selbst angewiesen, Österreich hat mindestens zwei schwarzstartfähige Kraftwerke, mit deren Hilfe alle anderen Kraftwerke auch hochgefahren werden können, vorausgesetzt die Leitungen sind in Ordnung, dauert das zwischen 10-24 Stunden ( so zumindest laut offiziellen Aussagen).

  • Bei einem internationalen Stromausfall ist jedes Land auf sich selbst angewiesen, ...

    Ich bin jetzt zwar kein Profi, was Stromnetz und dgl. betrifft, möchte diese Aussage jedoch nicht so stehen lassen. Da das Stromnetz in ganz Europa miteinander verbunden ist und auf Ländergrenzen pfeift, sind die Länder sehr wohl voneinander abhängig. Es braucht eine Kommunikation untereinander, da man nicht Land für Land hochfahren kann, sondern immer nur (Strom-)Bereiche, soweit ich mich bisher eingelesen & informiert habe.


    Klar ist die Schwarzstartfähigkeit von Kraftwerken ein Bonus, ABER diese Fähigkeit ist derzeit noch theoretischer Natur. Es gibt einfach noch keine Erfahrungswerte, sondern bloß Theorien.

    Try to leave this world a little better than you found it. (Robert Baden-Powell)

  • Gerade dann ist internationale Zusammenarbeit gefragt und auch geplant. Das europäische Netz soll aus Österreich mit seiner großen schwarzstart-Kapazität wieder aufgebaut werden.

  • ...Österreich hat mindestens zwei schwarzstartfähige Kraftwerke....

    Österreich hat noch einige mehr davon!

    Sieh dir alleine Vorarlberg an - hier gibt es einige Speicherkraftwerke und Flussturbinen!


    Im Falle eines Blackout will Vlbg. übrigens ein Inselnetz aufbauen - alle Leitungen nach "aussen" werden dann gekappt.

  • Aus den von rand00m genannten Gründen muss ein Kraftwerk für den Wiederanlauf auch nicht nur schwarzstartfähig sein sondern auch inselbetriebsfähig. Dabei geht es darum wie gut das Kraftwerk regelbar ist also wie groß der Regelbereich ist und wie schnell man die Leistung in dem Bereich anpassen kann.

    Es hilft wenig, wenn das Kraftwerk nur von 98 bis 100 % der Nennleistung fahren kann. Ebenso wenig wird es helfen wenn es zwar von 0 bis 100 % abgeben kann, eine Leistungsänderung um 1 % aber eine Stunde dauern würde. Das ist jetzt natürlich sehr überspitzt um es möglichst deutlich zu machen.


    Die großen Speicherkraftwerke können gleichzeitig pumpen und Strom erzeugen und damit ein Gleichgewicht auf hohem Lastniveau herstellen. Wenn ich zu 100 MW Erzeugung und Verbrauch 1 MW dazu schalte passiert weniger mit der Frequenz als wenn ich zu 10 MW dazuschalte. Ja, es gibt inzwischen viele kleinere Kraftwerke die schwarzstart- und inselbetriebsfähig sind, je kleiner das Netz desto höher sind aber die Schwankungen wenn Lasten zu- oder weggeschaltet werden. Damit ist auch das Risiko höher dass man über Abschaltgrenzen kommt und von vorne anfangen muss.


    Darum ist das europäische Netz im Normalbetrieb ja auch relativ stabil. Kein einzelnes Land würde einen plötzlichen Lastwechsel um 6,3 GW (wie am 8.1.2021) alleine stemmen können.

  • Österreich hat noch einige mehr davon!

    Sieh dir alleine Vorarlberg an - hier gibt es einige Speicherkraftwerke und Flussturbinen!


    Im Falle eines Blackout will Vlbg. übrigens ein Inselnetz aufbauen - alle Leitungen nach "aussen" werden dann gekappt.

    Im Falle eines Blackouts muss jedes Netz im entsprechenden Rahmen wieder anlaufen. Man kann mit einem Kraftwerk ja nur eine gewisse Größe unterhalten und synchronisieren. Damit wird dann das nächste (nicht schwarzstartbare) Kraftwerk hochgeholt, Netz erweitert und synchronisiert etc. solange bis alles wieder miteinander läuft. Soweit die Theorie.

    EDIT:
    siehe JoBe

  • Ich bin jetzt zwar kein Profi, was Stromnetz und dgl. betrifft, möchte diese Aussage jedoch nicht so stehen lassen. Da das Stromnetz in ganz Europa miteinander verbunden ist und auf Ländergrenzen pfeift, sind die Länder sehr wohl voneinander abhängig. Es braucht eine Kommunikation untereinander, da man nicht Land für Land hochfahren kann, sondern immer nur (Strom-)Bereiche, soweit ich mich bisher eingelesen & informiert habe.


    Klar ist die Schwarzstartfähigkeit von Kraftwerken ein Bonus, ABER diese Fähigkeit ist derzeit noch theoretischer Natur. Es gibt einfach noch keine Erfahrungswerte, sondern bloß Theorien.


    Technisch gesehen wäre es sehr wohl möglich, Österreich bis zu einem gewissen Grad als Insel zu fahren. Praktisch macht es aber keinen Sinn: Wir gewinnen viel mehr, wenn wir unseren Nachbarn beim Hochfahren helfen, als wir durch einen "egoistischen" Inselbetrieb verlieren würden.

    There is no such thing as too much backup!

  • Um das Netz nach einem (echten/totalen) Blackout wieder hochfahren zu können muss ein Kraftwerk sowohl schwarzstartfähig (= ohne externe Energieversorgung startfähig) als auch inselbetriebsfähig (= so gut regelbar, dass es ohne stabiles Stromnetz betrieben werden kann) sein. Die wenigsten Laufkraftwerke können das und angeblich besteht bei denen sogar die Gefahr, dass sie bei einem Blackout überflutet werden, wenn nicht schnell genug der Wasserfluss geregelt werden kann.

    Was die Schwarzstartfähigkeit von Fluss- bzw. Laufkraftwerken betrifft hast Du sicherlich recht, die Turbinen sind aufgrund des niedrigen Gefälles eher auf konstante Dauerleistung getrimmt und lassen sich etwas träge regeln und eignen sich für diese Zweck daher mäßig. Dass die im Blackoutfall überflutet werden wundert mich nun doch etwas! Selbst diese Wasserkraftwerke haben Notstromdiesel (ja, richtig gelesen!) um gegebenenfalls Wehranlagen öffnen zu können um Wassermengen über die Dämme abzuführen welche sonst durch die Turbinen gehen wenn diese zur Stromerzeugung laufen. Wenn ein Kraftwerk auf Notaus geht ist das Staubecken auch nicht in der nächsten Sekunde randvoll angefüllt, von daher sollte etwas Zeit sein bis die Mannschaft die erforderlichen Maßnahmen ergreift wie Diesel starten, usw. Einen groben techn. Defekt mal ausgenommen würde ich meinen dass bleibt so wie bei 99,7% der Hochwasserfälle im grünen Bereich ...

    ------- Fragt mich nicht welches Gear ich besitze sondern was man damit machen kann! -------

  • bugikraxn: Die Info stammt von einem Elektriker, der in einem kleineren Laufkraftwerk gearbeitet hat und selbst mal eine Situation erlebt hat wo per Muskelkraft Stellantriebe bedient werden mussten damit das Kraftwerk nicht absäuft. Gut möglich, dass die Info im Detail veraltet ist, ein grundsätzliches Risiko dürfte aber bestehen.

  • Die Info muss keineswegs veraltet sein JoBe, bei Kleinkraftwerken (vor allem wenn die schon älter sind) ist ja viel weniger automatisiert als bei den größeren Flußkrafwerken wie sie z.B. an Donau, Inn, Mur, usw. verbaut sind. Da kann es durchaus sein dass man irgendwelche Wehrverschlüsse usw. per Handkurbel od. manuellen Kettenzug öffnen/ schließen muss. Und selbst wenn da elektr. Antriebe dran sind ist meist zusätzlich irgendeine Notvorrichtung vorhanden. Beim großen Hochwasser 2002 hat z.B. mein Bruder einem Freund geholfen dessen Kleinkraftwerk 'stillzulegen', d.h. es wurde abgestellt und der Verschluss beim Kleinwehr vorsoglich geöffnet damit die Wassermassen ablaufen können ... Den Auftrag dieses KKW stillzulegen kam damals vom Energieversorger des Bundeslandes. Das KW hat es ohne gröbere Schäden überstanden, im benachbarten Wald fanden sie jedoch eine beinahe komplette Holzhütte die da angespült zwischen den Bäumen hing und hauffenweise Müll u. Unrat inkl. einer Motorsäge ;-)

    ------- Fragt mich nicht welches Gear ich besitze sondern was man damit machen kann! -------

  • ORF - Meldung beschäftigt sich (wieder einmal) mit Blackout


    https://orf.at/#/stories/3201302/


    Egal, wie man es sieht - Hauptsache das Thema gräbt sich langsam aber sicher in das Bewusstsein von möglichst vielen Menschen


    NACHTRAG: Da haben Ben und ich wohl in der gleichen Sekunde auf orf.at geguckt ;) - man kann's aber nicht oft genug wiederholen

    .... gibt das Leben dir eine Zitrone, mach' draus eine Limonade.

    2 Mal editiert, zuletzt von zippygirl ()